WDR Zeitzeichen 24. Juni 1935: Der Todestag von Carlos Gardel

2013 durfte ich in Krefeld den Tango Talk moderieren, bei dem ich die wunderbare Janine Krüger kennengelernt habe, Autorin eines musikwissenschaftlichen Werks über Tangomusik. Tango, das ist nicht nur Tanz, sondern auch Instrumental- und schließlich auch Vokalmusik. Und mit letzterer, dem Tangolied, habe ich mich für das Zeitzeichen über Carlos Gardel befasst.

Ich danke dem Sänger und Journalisten Fernando Miceli und der Sängerin Feline Lang, die mir ebenfalls wahnsinnig geholfen haben, Gardels Bedeutung zu verstehen. Und natürlich Leandro Fest, der das Stück als Sprecher enorm aufgewertet hat.

Redaktion: Ronald Feisel

Carlos Gardel ist argentinischer Volksheld – bis in die Gegenwart wollen kleine Jungs dort so sein wie er. Sein großes musikalisches Verdienst war es, dem Tango das Sprechen beizubringen. Oder besser: das Singen. Gardel erkannte, dass Tango, eine Tanzmusik mit afrikanischen, kubanischen und europäischen Einflüssen, das ideale Vehikel ist für leidenschaftlich vorgetragene, pathetische Texte in Lunfardo, dem argentinischen Unterweltsslang. Er machte „Mi noche triste“ berühmt, das bis heute als erster Tango Canción gilt.

Sein sehr plötzlicher, gewaltsamer Tod im Jahr 1935 – Anlass dieses Beitrags – hat Argentinien erschüttert. Man sagt, viele Fans hätten Selbstmord begangen, als sie die Nachricht erfuhren. Bis heute wird seiner gedacht. Gardel ist in Argentinien eine Legende! Ich finde Janine Krügers Erklärung für diese enorme Überhöhung sehr schlüssig: Sie bezeichnet Gardel als eine Identifikationsfigur, die den Porteños (den Einwohnern von Buenos Aires) gezeigt hat, was möglich ist, wenn man Erfolg hat. Dazu komme, dass in Ländern mit einer sehr kurzen Geschichte jedes Ereignis viel bedeutender sei als in Kulturen mit einer jahrhunderte- oder gar jahrtausendealten Tradition. „Gerade Einwanderernationen haben einen Hang, gewisse Ereignisse unglaublich groß zu machen, um zeitliche Orientierungspunkte zu haben“, sagt sie. „Dieser Mann, der so wichtig ist mit seiner Stimme und seinem Inhalt, stirbt diesen sinnlosen Tod – dass das die Massen aufgebracht hat, ist nachvollziehbar.“